Balsam für Körper und Geist oder ...

  • ... abseits der Zivilisation

  • ... in sechs Tagen

  • ... das Essen abgepackt

  • ... und ohne fremde Hilfe

vom Gurnigel nach Leysin
(05.06.05 - 10.06.05).

Martin und Marianne Zahn
Fichtenweg 10
CH-3672 Oberdiessbach

Routenplan (im 3D Relief)
Routenplan (auf Karte)

Streckenprofil und Höhenmeter

Ort

Meereshöhe

Aufstieg in [m]

Abstieg in [m]

Wasserscheide

1'580

 

 

Morgetepass

1'959

379

 

Mittlig Morgete

1'655

 

304

Grenchengalmpass

1'884

229

 

Widdersgrat

2'104

220

 

Homad

1'870

 

234

Vorder Richisalp

1'741

 

129

Chänelpass

1'791

50

 

Steinig

1'538

 

253

Sattel am Stierengrat

1'808

270

 

Ober Neugantrisch

1'406

 

402

Salzmatt

1'637

231

 

Schwarzsee

1'047

 

590

Euschelspass

1'567

520

 

Jaun Dorf

964

 

603

Chalet du Soldat

1'752

788

 

Wolfsort

1'921

169

 

Les Adannes

1'379

 

542

Col de la Forcla

1'683

304

 

Unterhalb Rocher de Rayes

1'626

 

57

Rougemont

970

 

656

Les Dounes

1'525

555

 

Unterhalb Rubli

1'757

232

 

Trittlisattel (Gummfluh)

1'952

195

 

Col de Jable

1'884

 

68

Gros Jable

1'824

 

60

Les Vuitres

1'343

 

481

La Case

1'918

575

 

Les Arpilles

1'767

 

151

Paquier Mottier Anhöhe

1'581

 

186

Pas de Saxieme

1'761

180

 

Oberhalb Col de Seron

2'320

559

 

Alp ob Les Diablerets

1'681

 

639

Leysin

1'350

 

331

Total

 

5'456

5'685

 

Motivation und Vorbereitung

Der Titel unserer Trekkingwoche beinhaltet etwas Spirituelles, nicht Fassbares - die Eindrücke der letzten Tagen begleiten uns auch zwei Tage nach der Rückkehr aus dem Bergfrühling noch auf jedem Schritt und Tritt. Um abzutauchen in eine «andere Welt» muss man sich also nicht in eine Wüste oder einen Dschungel an einem einsamen Ort der Welt zurückzuziehen - man findet die Ruhe und Abgeschiedenheit in unserer Nähe. Tagelang wanderten wir über Bergkämme, Grate, blühende Matten zwischen unserem Ausgangspunkt Gurnigel und dem Ziel Leysin, ohne einem Menschen zu begegnen.


Bergfrühling an der Pointes de sur Combes (unterhalb Gummfluh)

Die Inspiration, ohne fremde Hilfe während sechs Tagen in der «Wildnis zu überleben» entnahm ich den zahlreichen Büchern von Reinhold Messner (Die weisse Einsamkeit. Mein langer Weg zum Nanga Parbat). Natürlich ist unsere Tour überhaupt nicht vergleichbar mit den kaum vorstellbaren Leistungen eines Reinhold Messners - uns ging es bloss darum, die doch so angenehme Zivilisation für ein paar Tage zu verlassen und ganz auf uns gestellt zu sein. Konkret bedeutet dies auch das Schleppen des «eigenen Hauses» und der gesamten Verpflegung - ein 20kg schwerer Rucksack war somit unvermeidbar. Wir bewegten uns schneckengleich vorwärts, ohne Zeitvorgabe, einfach so, in den Tag hinein. Dabei kamen immerhin mehr als 5'400 Höhenmeter im Aufstieg zusammen.


Enziane bei Alpiglen Mären

Die Frage: «An was denkt man den während Stunden und Tagen wo man nichts anderes zu tun hat ausser laufen?» ist wohl berechtigt.

Ja, man denkt sicher nicht mehr lange an die Steuerrechnung, über die man sich eben noch geärgert hat, und all die anderen «Unwichtigkeiten» im Leben des zivilisierten Menschen.

Schnell wird man eingeholt von den Düften der blühenden Bergwiesen und den sprudelnden Bergbächen, während ein Murmeltier nicht weit weg vom Bergweg einen schrillen Warnruf ertönen lässt - dies ist doch der Balsam für Körper und Seele!

Auch wenn es nicht darum geht, einen Nanga Parbat oder Ama Dablan zu besteigen, so ist doch ein Ausdauertraining notwendig, um Tagestouren von 8 - 10 Stunden ohne Ruhetag «durchzustehen». Wir nutzten den wunderbaren Winter für ausgedehnte Schneeschuhtouren.

Nebst einem Ausdauertraining ist die Stärkung der Rückenmuskulatur das Wichtigste. Erträgt man die Last des Rucksacks auf den Schultern während Stunden nur mit Mühe, so wird auch die schönste «Tour» bald zur «Tortur» und die Wanderslust ist vorbei.

Mit Freude beobachtete ich auch die Aktivitäten von Marianne beim Nordic Walking - sogar ein Berglauf (Blüemlisalp Lauf) absolvierte sie - und das ganz und gar ohne «sanften» Druck von meiner Seite - Chapeau!

Über Stock und Stein vom Gurnigel zum Schwarzsee

Der Wetterbericht für die Zeit vom 05.06.05 - 10.06.05 versprach gutes Wetter für die zweite Wochenhälfte, Bewölkung und teilweise Regen für den Anfang der Woche. Wer sich in den Bergen aufhält weiss, wie wichtig es ist, gutes Wetter zu haben. Nässe und Kälte gehören, wie eine unzureichende Kondition, zu den Faktoren die ein solches «Unternehmen» scheitern lassen können.


Morgenstimmung vor dem Start auf dem Gurnigel (Wasserscheide)

Verlassen präsentiert sich das Naherholungsgebiet der Stadt Bern am frühen Morgen um 06:30, welch ein Gegensatz zu den oft überbelegten Parkplätzen, welche man typischerweise bei Inversionen (oben blau und unten grau) antrifft.

Trotzdem beherrscht eine knisternde Angespanntheit die Szenerie - werden wir es schaffen, werden wir Leysin erreichen?

«Na dann Tschüss» und ein Abschiedskuss an unsere Eltern, die extra wegen uns so früh aufgestanden sind um uns an den Ausgangspunkt zu bringen - Merci!

Im Aufstieg zu unserem ersten Pass (Morgete) - es sollten noch einige kommen - treffen wir bereits auf die ersten Schneeresten. Die wärmende Sonne im Rücken verleiht uns jedoch Flügel. Bald haben wir unseren Rhythmus gefunden und sind im «Fettverbrennungsbereich».


Marianne mit Vollpackung beim Aufstieg zum Morgetepass

Bei der Durchsicht der Tageszeitungen nach unserer Rückkehr sticht mir eine Überschrift in die Augen: «Ernährungskurs für übergewichtige Kids» - also, soweit haben wir es gebracht in unserer Überflussgesellschaft. Da können wir nur sagen: «Weniger Gummibärli dafür mehr Grizzlibären» oder raus in unsere wunderbare Landschaft!


Abstieg nach Undrist Morgete, mit dem Widdersgrind im Hintergrund

Nach der Überquerung des Morgetepasses, erfasst uns eine wohltuende Stille, wir fühlen uns beide stark und fit, wir glauben an das «Durchkommen».

Wir durchwandern eine wahrlich wilde Gegend, was schon durch Namen wie «Hengstschlund», «Widdersgrind», «Muscherenschlund», «Schafarnisch» und «Widdergalm» deutlich zum Ausdruck kommt.

Die Tourismusbranche preist die Gegend mit folgender Kurzwerbung an: Die Wanderung vom Stockhorn zum Gantrisch ist ein Klassiker und geprägt von spektakulären Aussichten einerseits aufs Aare-/Gürbetal und das Mittelland, andererseits auf die Alpen – und sie ist dabei nicht anstrengend: Die Stockhornbahn bringt einem auf eine Höhe von 2200 Metern, grosse Höhendifferenzen müssen nicht mehr bewältigt werden bis zur Postauto-Haltstelle Gantrischhütte(1508 m).

Beim Aufstieg zum Grenchegalmpass entfaltet sich der Bergfrühling in seiner ganzen Farbenpracht.

Einmal mehr wird uns klar, wie gut es die Schöpfung mit uns gemeint hat. Kristallklares Wasser sprudelt munter dem Tal entgegen. Noch vor Wochen hielt der Winter hier oben das Zepter in der Hand.


Am Schattigseeli unterhalb von Alpiglenmären


Gratwanderung am Widdersgrind

Unterhalb von Alpiglenmären entschliessen wir uns für die «Gratvariante» über den Widdersgrind. Mit leichtem Rucksack problemlos zu bewältigen, doch mit unserer schwerer Last stellen die Grate und Couloirs hohe Anforderungen an die Trittsicherheit.

Im Hintergrund erkennen wir bereits die bekannte Boltiger Mittagsfluh.

Manchmal entschliesse ich mich dazu, allein vorzusteigen um meinen Rucksack zu deponieren und anschliessend Mariannes Rucksack nachzuholen.

Die Alp Richisalp wird nur noch von Schafen genutzt, und man fragt sich unweigerlich, ob es auf der durchwanderten Strecke in 25 Jahren noch Kuhalpen und Sennen geben wird, oder ob die Globalisierung diesen Teil der alpinen Kultur zum Verschwinden bringt?

Zu dieser Gegend findet man folgende interessante Information: In regelmässigen Abständen trifft man übrigens in diesem Gebiet auf Relikte vergangener Zeiten. Die Stockhornkette war die nördliche Grenze des «Reduits» und während des zweiten Weltkrieges wurden auf der Strecke Kaiseregg-Stockhorn abertausende Kubikmeter an Stollen, Bunkern und Befestigungsanlagen gebaut.

Da für die beauftragten Bauunternehmer zum Teil der Profit vor der Landesverteidigung kam, wurden Zement und Armierung recht sparsam eingesetzt, so dass einige Anlagen zerfielen, ohne dass ein Schuss auf sie abgegeben wurde, was nach Kriegsende zu mehreren Prozessen führte.

Auf der Vorder Richisalp legen wir nach mehr als 7 Stunden Berg- und Gratwanderung eine längere Pause ein. Marianne ist müde und ihre Knie beginnen zu schmerzen. Etwas, das für sie normalerweise unbekannt ist.

Die steilen Abstiege über Grashänge mit dem Rucksack am Rücken stellen jedoch enorme Belastungen für die Gelenke dar.


Rast auf der Richisalp

Am Känelpass müssen wir eine Entscheidung treffen: Kaiseregg ja oder nein? Gerne hätte ich die Route über den Stierengrat nach Walop und von dort auf die Kaiseregg gewählt. Das Wetter verspricht jedoch für den kommenden Tag (Montag) nichts Gutes. Bereits heute ist es sehr kalt und teilweise garstig auf 1800müM. Wir sind beide müde und Mariannes Knie schmerzen. Wenn wir nicht in Schwierigkeiten geraten wollen, dann muss der zweite Tag unbedingt leichter werden. Wir steigen also vom Känelpass ab, in Richtung Steinig, und überqueren abseits des weiss/rot markierten Bergweges unterhalb des Stierengrates auf 1800müM das letzte Schneefeld des ersten, langen Tages.

Bei zunehmend schlechtem Wetter überqueren wir den Sattel unterhalb des Stierengrates, der Steinig mit Neugantrisch verbindet.

Hier eröffnet sich nun erstmals der Blick in das weite, grüne Tal von Sangernboden.


Schlechtes Wetter kündigt sich an - unterhalb Stierengrat

Am Ättenberg, der gut sichtbar ist von unserem letzten Übergang, zieht das Veh, getrieben von Sennen mittels «chum, chum» bis «wosch ächt ga» auf die Alp, begleitet von schweren, bimmelnden Treicheln - ja, lieber die als wir!


Unser erstes Nachtlager unterhalb des Stierengrates

Mit Sorge betrachte ich Marianne bei der Ankunft in unserem ersten Nachtlager, sie ist sehr müde.

Das Aufstellen des Zeltes gestaltet sich widerwärtig, hätte ich das doch zu Hause nur besser geübt! Jetzt, erschöpft und durchfroren fällt es mir schwer. Auch das Aufblasen der Daunenmatten will nicht gelingen.

Mit dem Verpackungssack werden die Hightech Matten aufgeblasen, dies darf wegen der Atmungsfeuchtigkeit nicht mit dem Mund gemacht werden. Der Gedanke an eine warme Dusche und ein gemachtes Bett müssen wir nun unbedingt verdrängen.

Meine Zuversicht, Leysin in 6 Tagen zu erreichen schwindet an diesem Abend erheblich. Dunkle Regenwolken halten sich hartnäckig an der steilen Flanke des Stierengrats. Endlich um 20:30, nach mehr als 11 Stunden Wanderzeit, können wir unser erstes warmes Essen in den Schlafsäcken «geniessen». Bei einsetzender Dunkelheit fallen wir in einen tiefen Schlaf. In der Nacht dann plötzlich ein polterndes Geräusch - schwere Wassertropfen schlagen auf unserer Zeltplane auf und purzeln zu Boden - auch das noch - Shit!

Das Aufstehen um 06:00 fällt schwer, Müdigkeit überall. Wir haben uns am ersten Tag übernommen!

Glücklicherweise regnet es kaum mehr, es ist aber sehr kalt. Ich bin nun froh, nicht den Weg über die Kaiseregg auf 2072müM gewählt zu haben. Das wäre schlicht «to much» gewesen.


Marianne hat sich etwas erholt, Aufstieg zur Salzmatt

Im Aufstieg zur Salzmatt erholen wir uns. Saftig grüne Alpweiden vom Feinsten mit allen möglichen Alpenkräutern - «hey Riccola - schon mal etwas von der Geissalp gehört?».

Auf unseren ganzen Tour hatten wir dann aber doch einen ständigen Begleiter, der sich immer wieder bemerkbar machte. Hatten wir ihn einmal vergessen - war er plötzlich wieder da mit seinem «Gugg» - «Gugg». Wer die bekannten «Gugger-Zitli» kennt, weiss von welchem Vogel ich spreche. Vielleicht hatte er Erbarmen mit uns «Sherpas» oder vielleicht hat er sich einfach lustig gemacht über uns - ein solcher «Krampf» auf sich zu nehmen und das alles noch freiwillig.


Breitblättrige Orchidee im sanften Aufstieg zur Salzmatt


Blick von der Salzmatt zum Schwarzsee.

Von der Salzmatt erblicken wir den Schwarzsee und damit wieder ein Stück Zivilisation.

Obwohl der Abstieg zum Schwarzsee einfach ist, gestaltet er sich für uns sehr schwierig. Mariannes Knie schmerzen im Abstieg sehr, sie kann nur noch langsam gehen.

Zudem verdrängen schwere Regenwolken die wenig wärmenden Sonnenstrahlen. Meine Sorgen nehmen zu, habe ich Marianne zu viel zugemutet, wollen wir aufgeben?

Der Schwarzsee macht seinem Namen alle Ehre, schwarz wie die Nacht ist das Wasser. Um die Stimmung etwas aufzubessern koche ich Spaghetti al Pesto. Leider können wir das Essen nicht lange geniessen, Dauerregen setzt ein.


Spaghetti al Pesto am Schwarzsee

Wir packen zusammen und im militärischen Schritt, mit mehr als 20kg am Rücken machen wir uns auf in Richtung Euschelspass. Keiner denkt mehr ans aufgeben, weiter, weiter - Bravo Marianne!

Durchhalten am Euschelspass

Das Wetter wird schlicht miserabel, Dauerregen! Marianne hängt sich eine Art Poncho, genannt «Dracula» um, damit sie nicht ganz durchnässt wird.


Marianne im Aufstieg zum Euschelspass in «ihrem Poncho»

Es freut mich zu sehen, wie Marianne wieder leicht steigt, die Knie schmerzen beim Aufstieg nicht mehr.

Der Poncho hat sich schlussendlich auf der gesamten Tour sehr bewährt, kann man diesen doch als Hilfszelt, Regenschutz, oder Unterlage benutzen.

Bedingungen, wie wir sie am Euschelspass antrafen, würden sich bestens eignen für (Ehe)paar Therapien. Geht man sich bei diesem Wetter (noch) nicht auf die Nerven, so ist man entweder hoffnungslos frisch verliebt (was auf uns ja nicht zutrifft), oder man versteht sich wirklich gut and hält eisern zusammen (was wohl auf uns zutrifft).

Ich trotze dem garstigen Wetter in meinem Odlo Leibchen. Wir steigen und steigen und mit jeden gewonnenen hundert Höhenmetern sinkt die Temperatur weiter ab.

Der Weg zum Euschelspass steigt zuerst steil an zum Bödeli, anschliessend öffnet sich das Tal und es geht in leichtem Anstieg bis zur Passhöhe.


Ich trotze dem garstigen Wetter in meinem Odlo Leibchen


Regen, Kälte - welch ein Hundewetter am Euschelspass!

Im Euschelstal treffen wir auf den örtlichen Wildhüter.

Die Gemspopulation im Raum Gantrisch - Kaiseregg - Euschelsgebiet - Dents Vertes wurde in den Jahren 1997 bis 1999 stark von der infektiösen Keratokonjunktivitis (Gemsblindheit) betroffen. Es bestehen starke Hinweise dafür, dass die Epidemie im Sommer 1997 im Raum Schönenboden, nördlich von Oberwil (BE), von einer infiszierten Schafherde ausgegangen ist. Auch im Euschelsgebiet sömmern seit Jahrzehnten Schafe.

Auf dem Euschelspass, in Richtung Jaun-Dorf durchleben wir die glücklicherweise einzige «Krise». Wir sprechen vom Aufgeben, Verschieben, Durchhalten, Abwarten.

Wir sind zwar sehr müde und frieren, jedoch nicht erschöpft. Wir schaffen es, in diesem Zustand, sogar auf das wärmende Beizli oberhalb von Jaun zu verzichten. Stattdessen suchen wir etwas Schutz in einem Holzschuppen unterhalb des Beizlis.


Der «Euschelsente» ist es pudelwohl bei diesem Wetter

Jetzt bin ich überzeugt, dass auch in Marianne das innere Feuer für «unser Projekt» entflammt ist. Wenn es einem friert, man müde ist, so ist aufgeben meist einfacher als durchhalten. Wir haben uns für das zweite entschieden!


In Jaun Dorf warten wir im Zelt auf besseres Wetter

Im Abstieg nach Jaun Dorf werden wir auf der Fahrstasse von freundlichen «Suisse Romands» dazu eingeladen, in ihr Auto zu steigen - es scheint, als ob sie Bedauern mit uns hätten.

Wir lehnen das gut gemeinte Angebot ab, lautet doch unser Vorsatz: Ohne fremde Hilfe Leysin erreichen. Und jetzt haben wir schon so tapfer durchgehalten, also jetzt bitte keinen Fehler!

Wir erreichen Jaun Dorf, das wohl mehr Kirchen hat als Läden. Das Dorf ist gespenstisch ausgestorben. Im Hintergrund, auf einer Anhöhe unser «Ausharrungslager» bei einer schönen Sennhütte.

Zum Jaun Dorf liest man: Es ist die einzige deutschsprachige Gemeinde im Greyerzbezirk, allerdings sind die meisten Einwohnerinnen und Einwohner zweisprachig. Der Dialakt in Jaun ähnelt stark dem Berner Oberländer Dialekt. Das ist kein Zufall: Eine Verbindungsstasse zum Bezirkshauptort Bulle existiert erst seit 1870; davor führte nur ein schmaler Pfad durch die Jaunbachschlucht. Das verunmöglichte einen regen Handel und einen engen Kontakt zum Bezirkshauptort. Die Verbindung nach Boltigen auf der anderen Seite des Passes hingegen war einfacher - das hinterlässt im Dialekt bis heute Spuren.

Der Name «Jaun» stammt wahrscheinlich von «Jagona», was in der Sprache der Helvetier «die Kalte» bedeutete - wie zutreffend diese Analyse doch auf unsere Bekanntschaft mit Jaun ist!

Glücklicherweise haben wir im Schutz einer mächtigen Tanne einen wunderbaren Platz für unser Zelt gefunden, hier lässt es sich sein.

In Jaun haben wir lange nach einem Zeltplatz gesucht, im Dorf selbst kommt dies nicht in Frage und direkt am Bach ist es zu feucht.

Ich jogge ohne Rucksack etwas den Bergweg hinauf und siehe da - mein Herz hüpft vor Freude, welch ein wunderbarer Platz!


Trekking - nichts für Warmduscher!

Überquerung der Gastlosen

Der Regen und das kalte Wetter haben aber auch seine Vorteile - wir können uns ausruhen und neue Kräfte sammeln. Kein Gedanke mehr an Aufgabe, denn der Wetterbericht verspricht schönes Wetter. Während der Regen auf unser Zelt prasselt geniessen wir die Ruhe im warmen Schlafsack.

Zahlreiche SMS von Freunden ermuntern uns zum Durchhalten und Weitermachen - Merci!

Nach mehr als 12 Stunden Ruhe und Erholung im Zelt, reisst der Himmel am Mittwoch, unserem dritten Tag, plötzlich auf und die Sonne lässt den Nebelschwaden keine Chance. Aus dem dunklen Jaun wird ein freundliches Dorf und auch unser Gemüt hellt sich auf. Uns kann nun nichts mehr halten.


Aufstieg zum Chalet de Soldat auf der Nordseite der Gastlosen

Wer im Internet (Google) den Begriff «Gastlosen» eintippt, wird bald feststellen, dass der Begriff nichts mit «gastlos» zu tun hat. Dafür umso mehr mit einer äusserst wilden Bergkette, dem absoluten Eldorado für Sportkletterer.

Man findet zahlreiche (schwere) Routen auf der Nordseite, mit klingenden Namen wie «Mission Impossible».

Die Gastlosen ist auch die Heimat von Erhard Loretan, dem bekannten Spitzenbergsteiger.

Die Gastlosen werden oft auch als die Dolomiten der Schweiz bezeichnet.

Mit Leichtigkeit steigen wir durch die saftig grünen Weiden empor zum Chalet du Soldat. Die Kühe geniessen zu dieser Jahreszeit wahrlich das reinste Gourmet Menü - welch ein Schlaraffenland!

Sie würdigen uns kaum mit einem Blick, um die Mittagszeit ist Siesta angesagt.


Hey ihr Faulenzer. wenigstens grüssen könntet ihr!


Route Gross Turm Nord

Vor zwei Jahren durchstieg ich mit Martin Grossen die Route «Gross Turm Nord» (6a, 6c, 7a, 6a+, 6a, 6a, 5c, 4b).

Erinnerungen an schlechte Absicherungen werden wieder wach, an Ausgesetztheit und schwierige Züge.

Es ist nicht unüblich, dass man in den Routen der Gastlosen noch alte Holzklemmkeile, versehen mit Viehhüterdraht findet, die Absicherungen der Erstbesteiger ...

Das Soldatenhaus wurde ursprünglich gebaut, um Freiburger Militärtruppen zu beherbergen. Heute haben die Soldaten den Einzelpersonen oder Familien Platz gemacht.

Wieder entziehen wir uns der Versuchung nach Genüsslichkeiten im Chalet du Soldat, (... frische Nussgipfel ... mhmm) und «geniessen» unsere mitgeschleppte Schokolade, im Wissen, dass mit jedem Biss der Rucksack etwas leichter wird.


Chalet du Soldat unter den Felsen der Gastlosen

Vor uns steht nun ein sehr steiles Stück Bergweg, das wir bezwingen müssen, um die Gastlosenkette zu überqueren und auf die Simmentaler Seite zu gelangen. Die Überquerung trägt den Namen «Wolfsort», wahrscheinlich haben hier in grauer Vorzeit einmal Wölfe gejault, wir konnten jedoch keine mehr sichten ...


Marianne im Aufstieg zum Wolfsort

Mit einem leichten Rucksack stellen solche Aufstiege normalerweise kein Problem dar. Ein schwerer Rucksack, birgt jedoch die Gefahr in sich, dass es einem rücklings überziehen kann.

Es ist deshalb wichtig, nach vorn zu lehnen und die Stöcke in der Mitte zu fassen. Kraft und Ausdauer gepaart mit Trittsicherheit und Geschicklichkeit sind in solchem Gelände von grossem Vorteil.

Am Wolfsort eröffnen sich dem Bergwanderer zwei Welten. Auf der Nordseite die steilen, schroffen Felsen der Gastlosen, auf der Südseite herrlich, sanft geneigte Alpweiden.

Es ist zügig an diesem Ort, die Bise bläst uns ins Gesicht, also nichts wie weiter Richtung Grubenberghütte (SAC).

In der Ferne erkennen wir den Gurnigel, stolz schauen wir auf das «getätigte Stück Arbeit» zurück.


Super geschafft! die Gastlosen sind nun überquert.

Mit der Überquerung der Gastlosen haben wir nun wieder ins Simmental gewechselt, das wir in Steinig am Fuss des Stierengrats verlassen haben. Das Wegstück von Wolfsort zur Grubenhütte ist überwältigend und sehr einfach zu begehen. Zeit sich wieder einmal seinen Gedanken hinzugeben und einfach so vor sich hinzuwandern. Oft wandern Marianne und ich ohne ein Gespräch zu führen, dann wieder finden wir Gesprächsstoff. Manchmal schwelgen wir auch in Erinnerungen an die vielen Wanderungen, die wir bereits zusammen unternommen haben. «Weisst Du noch als wir vom Jaun über den Hundsrück ....».

Die Bergfauna ist zu dieser Jahreszeit im Frühstadium, kaum ist der Schnee weg, drängen sich auch schon Krokusse aus der noch grauen Erde.


Krokusse am Weg zur Grubenberghütte


Wasserrillen an der Wandfluh

Der Weg zur Grubenberghütte (SAC), führt an der Wandluh vorbei, deren wasserzerfressene Flanke ein eindrücklicher Blickfang darstellen.

Wasser bildete in all den Jahren unzählige, vertikal verlaufende Wasserrillen.

Unzählige Kletterrouten findet man an diesen leicht zugänglichen Felsen.

Es ist fast eine Sünde an der Grubenberghütte, vorbeizuwandern, zu schön ist die Aussicht von hier oben auf das gesamte Simmental. Doch wir möchten noch ein Stück Weg hinter uns bringen, da wir uns wieder gut fühlen. Der ausgiebige Rasthalt in Jaun hat uns gut getan, also hat auch ein Regentag seine guten Seiten.

Von der Grubenberghütte muss man etwas ins Grischbachtal absteigen, eine direkte Querung zum Col de la Forcla konnten wir nicht ausmachen. Ich möchte auch keine waghalsigen Abenteuer eingehen, denn der Tag neigt sich bereits dem Ende entgegen. Ein Übernachten im Grischbachtal kommt für mich nicht in Frage, den ich kann mich nicht mit dunklen Zeltplätzen anfreunden. Lieber steige ich nochmals eine Stunde auf um in einem «Adlerhorst» zu übernachten. Es gibt nichts Schlimmeres, als zwischen Felswänden eingeklemmt zu sein, also rauf auf den Col de la Forcla, die Hütte habe ich schon von weitem gesichtet.

Es wird sehr spät, als wir endlich unser «Traumdomizil», eine leerstehende kleine Hütte direkt unter den Felsen der Rocher de Rayes gefunden haben. Wie üblich, macht sich Marianne daran, sich für den Ausgang schön zu machen ... mit kaltem Wasser am Hüttenbrunnen. Das Aufstellen des Zelts geht nun rasch vor sich und bald sitzen wir beim Einnachten vor einer dampfenden Hafersuppe.

Unser Traumdomizil am frühen Morgen unter den Felsen der Rocher de Rayes. Es war bitterkalt in der Nacht, Eis hatte sich auf der Zeltdecke gebildet.

Hier machte ich auch eine Erfahrung der ganz speziellen Art ...


Unser Traumdomizil unterhalb Rocher de Rayes

... Schnecken lieben Bergschuhe ... während der Nacht liessen wir unsere Bergschuhe im Vorzelt. Früh morgens zog ich jeweils die Schuhe schon mal provisorisch an, um das Frühstück zuzubereiten. Noch ahnte ich nichts ... bis ich meine Schuhe vor der Tagesetappe nochmals auszog, um die Socken zu ordnen. An diesem Morgen stellte ich eine schmierige Masse im Bereich der Zehen fest, was war passiert? Ich hatte keine Erklärung. Das Geheimnis lüftete sich bald, als ich mit der Hand in den Schuh griff und ganz vorne die Leiche einer riesigen Schnecke vorfand, die ihr Leben nicht ausgehaucht sondern ausgequetscht hatte ...


Marianne beim Frühstück oberhalb Rougemont

Marianne geniesst die ersten, wärmenden Sonnenstrahlen beim Frühstück. Während ich bei bewährter Kost wie Brot und Konfitüre blieb, liess sie sich fast gefrorenes Nutella schmecken.

Unser Essen hatten wir in Tagesportionen abgepackt. Bald erkannten wir, dass wir zuviel eingepackt hatten. Obwohl der Kalorienbedarf enorm war, assen wir kaum mehr als zu Hause. Dafür war die Verdauung von einer solchen Intensität, dass dies schon lästig wurde (das muss ich wohl nicht näher umschreiben).

Im Saanenland

Mit Rougemont, das wir über La Manche am Mittwoch dem 08.06.05 gegen Mittag erreichten, durchquerten wir nebst Jaun das zweite Tal. Wir mussten also ganz absteigen, um dann erneut auf 1800müM aufzusteigen. Gerne wäre ich ganz vorbei an der Zivilisation gewandert, doch dies ist auf dieser Route nicht möglich. Zweimal kommt man also in die Nähe eines grösseren Dorfes. Im übrigen ist anzumerken, dass wir praktisch ununterbrochen entweder bergauf oder bergab wanderten, dadurch kamen auch die 5'456 Höhenmeter zusammen.

Lange überlegte ich mir, wie ich das Bergmassiv von Rubli / Rocher a Pointes und Rocher Plat überschreiten soll. Drei Wege stehen zur Verfügung, Rubli links umgehen, duch die Mitte zur Skistation von Videmanette oder rechts herum um den Rocher Plat.


Rubli, Rocher a Pointes und Rocher Plat

Ich entschied mich für die erste Variante, die auch die leichteste ist. In Anbetracht des bereits geleisteten Weges und der noch bevorstehenden Schwierigkeiten am Cape au Moine wollte ich nichts riskieren und nicht bereits unsere Reserven anzapfen.

In Rougemont geniessen wir für kurze Zeit die Zivilisation. Auch die Wärme des Talgrundes tut uns gut nach einer bitterkalten Nacht.

Doch die Rast in von kurzer Dauer, bald sind wir wieder im Einklang mit unserem Herzschlag im Aufstieg zur Gummfluh. Welch imposantes Felsmassiv erblicken wir da! - ob es dort wohl auch Kletterrouten gibt?


Am Bahnhof von Rougemont


Gummfluh als imposante Bergkulisse

Der Aufstieg zur Pointes de sur Combe ist teilweise sehr steil. Die kalte Bise, die uns von hinten erfasst kühlt uns aber konstant derart ab, dass wir kaum schwitzen.

Dies wiederum, hat den grossen Vorteil, dass wir nur wenig Wasser den Berg hinauf schleppen müssen.

Kurz gesagt, es herrscht absolut ideales Wetter für eine Bergwanderung. Zum Übernachten sehr kalt, aber zum Laufen top - beides kann man wohl nicht haben.

Zur Gummfluh kann man folgendes nachlesen: Den gletscherüberschliffenen, mild geformten, wald- und weidebesetzten Schieferhalden sind fremd anmutende, zerschrundete und schroffe Felstürme und -grate aus harten Kalken aufgesetzt.

Unterhalb der Gummfluh treffen wir auf ein kleines Hochtal (Pointe de la Videman), das in seiner Pracht kaum zu umschreiben ist. Ich hoffe, dass das Photo dies etwas vermitteln kann.

Es ist sicher der landschaftlich eindrücklichste Moment auf unserer ganzen Tour. Das satte grün im Talkessel verdrängt die Schneeresten, welche unmittelbar daneben liegen!

Hier merke ich wieder einmal wir sehr wir dieses Land lieben, mit seiner Naturvielfalt. Leider, stelle ich fest, dass Naturerhalt bei Politikern heute mehr und mehr in den Hintergrund treten. Wachstum über alles, Einkaufszentren und Chemiefabriken in grüne Wiesen zu stellen ist heute «in». Oder wie ich kürzlich lesen konnte: «Wachstum entlang der grossen Achsen» - na ja.


Blick vom Trittlisattel an unseren Ausgangspunkt Gantrisch

Um den Col de Jable zu erreichen, wandert man auf einem teilweise ausgesetzten Bergweg rund um die Gummfluh. Auf dem Trittlisattel angekommen können wir nochmals an unseren Ausgangspunkt, den Gantrisch, welcher in der Ferne erkennbar ist, zurückblicken.

Der Trittlisattel ist bedeckt von Alpenrosen, die jedoch noch nicht blühen. Wir steigen entlang des Sattels hoch, und geniessen den Tiefblick in den Meielsgrund.

Bald erreichen wir den Col de Jable, wo wir erstmals das Felsmassiv von Les Diablerets erblicken.

Unterhalb des Col de Jable, bei Gros Jable erkennen wir eine wunderbar gelegene Sennhütte mit dem ersehnten Brunnen davor. Unser Nachtlager war somit bald klar. Glücklicherweise erreichten wir dieses Etappenziel bereits um 18:00 Uhr, so dass einmal genügend Zeit blieb, die Sonne noch etwas zu geniessen.

Auf unserer gesamten Tour haben wir sehr wenig Pausen gemacht. Am Mittag machten wir meist nur einen Halt von 30 Minuten, dann ging es wieder weiter.


Der Col de Jable war ein wichtiger Meilenstein auf unserer Wanderung

Umso mehr genossen wir das grossartige Panorama in Gros Jable. In der Ferne erblickt man auf der rechten Seite bereits die markante Seilbahnstation von Leysin.


Les Diablerets mit Wittenberghorn im Vordergrund

Das Panorama vom Col de Jable ist ausserordentlich beeindruckend. Im Hintergrund das Sommerskigebiet Les Diablerets mit dem Wittenberghorn im Vordergrund. Nicht sichtbar ist der Arnensee, der auf der anderen Seite des Wittenberghorns liegt.

Das grüne Tal von Paquier Mottier erinnert mich an das Färmeltal bei St. Stephan.

Morgen werden wir absteigen und auf der anderen Seite des Tals den höchsten Punkt der Tour erklimmen, den Cape au Moine.

Der Aufstieg wird wohl sehr anstrengend werden, liegt doch auf dem Col de Seron noch Schnee. Es ist also damit zu rechnen, dass wir über Firn/Schneefelder steigen müssen. Wir haben keine Steigeisen mitgenommen, sollte es zu riskant sein, werden wir umkehren und Richtung Etivaz - Col de Mosses wandern.


Unser Komfortlager in Gros Jable

Zuerst wird aber jetzt gekocht, um zu frischen Kräften zu kommen. Kaum ist die Sonne untergegangen wird es beissend kalt.


Impressionen vom Col de Jable

Marianne geht früh «zu Bett», während ich mich am kleinen Feuer etwas wärme.

Ich kann noch nicht schlafen, trotz der Müdigkeit denke ich nochmals zurück an den vergangenen eindrücklichen Tag rund um die Gummfluh.

Erinnerungen, die wir beide wohl bis an unser Lebensende in unserem Innersten tragen werden.

Winterlicher Übergang am Col de Seron (Cape au Moine)

In aller Frühe steigen wir von unserer Aussichtsterasse hinunter ins grüne Tal. Wir sind am plaudern und prompt passiert mir ein folgenschwerer Irrtum - Ich nehme den falschen Weg.

Anstatt im Talgrund nach Paquier Mottier zu wandern nehme ich den Weg nach Les Arpilles. Der Aufstieg ist extrem ruppig und wir gewinnen auf der anderen Talseite rasch an Höhe und können bald hinüber zum Col de Jable blicken. Nur leider ist dies der falsche Weg. Auf halber Höhe erkenne ich den Irrtum ...


Im falschen Aufstieg nach Les Arpilles


Endlich wieder auf der richtigen Fährte

... um wieder in den Bergweg in Richtung Pas de Saxieme zu gelangen, müssen wir nun wieder weit absteigen und entlang von Gestrüpp und steilen Flanken in den richtigen Bergweg kreuzen.

Das braucht Nerven, insbesondere wenn man weiss, dass der höchste Punkt der Tour noch bevorsteht. Das hat uns beide (zu)viel Kraft gekostet.

Etwas frustriert, verzehre ich eine halbe (fettige) Rauchwurst, um genügend «Most» für den Hauptaufstieg zu haben. Nie würde ich zu Hause solch fettige Würste essen, aber ich muss sagen, das hat mir über den Col de Seron geholfen. Mit irgend welchem Hightech Food, hätte ich diesen Effort nicht bewältigt!

Der Aufstieg nach Seron ist wieder wunderbar, gesäumt vom Bergfrühling in allen Farben.

Doch anstatt die phantastische Bergwelt zu geniessen, gebe ich das erste Mal auf der Tour «Vollgas». Marianne kann dem Tempo nicht mehr folgen und bleibt zurück.


Unterwegs zum Col der Seron

Im Wissen, dass ich oben am Col de Seron Tritte in den Firn schlagen muss, spielt ihr Rückstand keine Rolle, sie wird mich einholen. Wir müssen es schaffen, unfallfrei über diesen Übergang zu gelangen.

Ich bemerke, dass mich die Verantwortung in solchen Situationen doch etwas stresst.


Marianne im «Nachstieg» auf dem Firnfeld zum Col de Seron

Einmal mehr bewundere ich auch die verantwortungsvolle Arbeit der Bergführer, die ihre Gäste meist sicher über anspruchsvolles Gelände führen.

Der Gast ist sich wohl oft der heiklen Situation gar nicht bewusst. Wie schnell rutscht man auf einem Firnfeld aus und saust in hohem Tempo hinunter ins Geröll.

Das darf uns nicht passieren, deshalb trete ich schöne Tritte für Marianne, die nun ganz easy nachsteigt. Die eiskalte Bise im Rücken macht die Sache auch nicht lockerer. Der Grat ist nun aber nicht mehr weit und wir schaffen es! ich atme tief durch ...

Auf dem Plateau hoch über dem Dorf Les Diablerets herrschen noch winterliche Verhältnisse. Noch sind keine Blumen zu erkennen.

Der Effort hat mich doch einiges an Kraft gekostet. Trotzdem steigen wir nun noch hoch an den Abgrund, um endlich hinunter nach Les Diablerets zu blicken.


Geschafft - wir sind auf dem Dach der Tour angelangt

Ich finde im sehr steilen Abhang ein Couloir, über das wir das letzte heikle Wegstück absteigen können. Ich klettere zuerst mit meinem Rucksack hinunter und deponiere diesen unten. Dann wieder hochklettern und mit Mariannes Rucksack absteigen.

Marianne schafft den Abstieg mit ganzer Konzentration ohne Probleme.


Der Blumenstrauss für die Siegerin aus einheimischer Produktion ...

Nun sind wir ganz sicher, dass wir es bis Leysin schaffen werden. Wir beschliessen, bei einer schönen Sennhütte hoch über Les Diablerets unser letztes Zeltlager zu beziehen, es ist das Fünfte.

Etwas zu früh gibt's den Blumenstrauss für das tapfere Durchhalten. Auch die Wanderstöcke haben dazu beigetragen,  manch unnötigen Fehltritt zu verhindern.


Wanderstöcke, das unverzichtbare Utensil

Höhenbergweg Les Diablerets - Col de Mosses - Leysin als krönender Abschluss

Das letzte Zeltlager ist auch eines der kältesten. Kaum ist die Sonne am Abend untergegangen, kriechen wir in unsere Schlafsäcke. Wir hätten nun noch Proviant für zwei weitere Tage, doch der Vorrat an Gas zum Kochen geht langsam zu Ende. Wir haben den Fehler gemacht, Reis und Spaghetti unaufgeweicht im heissen Wasser gar gekocht zu haben. Das braucht viel zu viel Energie - stattdessen sollte man «Hardware aus Teig» zuerst im kalten Wasser einlegen, bis es weich wird und dann erhitzen, dies spart mehr als 1/3 an Energie.


Blick auf Les Diablerets

Nun sind wir ganz sicher, dass wir es bis Leysin schaffen werden. Wir beschliessen, bei einer schönen Sennhütte hoch über Les Diablerets unser letztes Zeltlager zu beziehen, es ist das Fünfte.

Zum letzten Mal «geniesse» ich das eiskalte Wasser, morgen wird mir das sicher bereits fehlen.

Marianne, wie immer auf der Tour mit drei Schichten an Kleidern im Schlafsack. Immerhin handelt es sich beim Schlafsack um einen Mountain Equipment Winterschlafsack bis -20 Grad ...


Impressionen vom letzten, kalten Zeltlager über Les Diablerets

Am Morgen ist alles «Stein und Bein» gefroren und das Zelt von einer Eisschicht bedeckt. Doch in Anbetracht des wolkenlosen Himmels für die letzte Etappe, lassen uns solche Unannehmlichkeiten heute morgen vollkommen kalt.


Der Wundertrank am Morgen - Ovo und Cappuchino

Bei unserer Zusammenstellung der Verpflegung haben wir ein paar Sachen nicht optimal gemacht (beispielsweise zuviel «Astronauten Food = Fertigteigwaren»).

Was wir aber äusserst empfehlen, können sind die alt bewährten Sachen wie Ovo Sport (in heissem Wasser auflösen), der super Cappuchino und natürlich die Rauchwürste ....

Spass beiseite, was auch sehr zu empfehlen ist: Stocki und Mais zum anrühren. Sofort bereit und energievoll.

Es ist so kalt an diesem Morgen, dass sogar das Frottetuch gefroren ist und für Mickey (unsere Katze zu Hause) als Minizelt gebraucht werden könnte.

Ich packe das Zelt samt Eis zusammen und dann geht es los über den Höhenweg in Richtung Col de Mosses.

Wir freuen uns schon jetzt auf den ersten «Leysin» Wegweiser - wie sich zeigen sollte, mussten wir uns damit noch bis zum Col de Mosses gedulden.


Eis am Zelt im letzten Zeltlager

Der Höhenweg zwischen Les Diablerets und Leysin ist reinster Genuss und sehr einfach. Es gibt kaum mehr Steigungen. Das erste Mal auf der Tour können wir die angegebenen Zeiten auf den Wegweisern auch einhalten, ja wir unterbieten sie manchmal sogar, obwohl die Rucksäcke immer noch beachtlich schwer sind. Doch das nahende Ziel lässt unser Tempo automatisch schneller werden, da wundern sich manchmal sogar ...

... die «Einheimischen» mit welch flottem Schritt wir da vorbeischreiten.


Col de Mosses in Sichtweite

Bei Oudiou öffnet sich das Seitental zum Col de Mosses. Im lichten Wald geht es leicht bergab.

Kein Muskelkater plagt uns mehr, mit beschwingten Schritten geht's dem Ziel entgegen.

Mir scheint, dass wir, je länger unterwegs besser vorankommen, offenbar gewöhnt man sich an Tagesetappen von 8-10 Stunden.

Obwohl wir Leysin, auf der herrlich gelegenen Sonnenterasse, schon lange von weitem sehen, will es nicht näher kommen.

Die Seitentäler zum Col de Mosses und der Pierre de Moelle verlängern den Anmarsch erheblich, da man immer wieder einen grossen Bogen machen muss, um auf die andere Seite des Quertals zu gelangen.


In La Comballaz - die letzten 3 Stunden bis Leysin ...


Der erste Wegweiser mit «Leysin»

Endlich, nach 6 Tagen erreichen wir den ersten Wegweiser mit «Leysin» ...

... und steigen mit Leichtigkeit die allerletzte Steigung von Pierre de Moelle nach Leysin hinauf.


In der letzten Steigung nach Leysin


Impressionen der letzten Meter ...

Bei schönstem Wetter laufen wir in Leysin ein, bereichert mit einem Naturerlebnis, das man kaum in Worte fassen kann.

Man muss nicht zwingend ein teures Trekking in Nepal buchen, um Stille und Naturverbundenheit zu suchen ... man findet dies auch ganz nah bei uns.

Das Simmental und Saanenland sind von einer einmaligen Schönheit und Wildheit, tragen wir dazu Sorge.

Für unsere Wanderung haben wir die 1:50'000er Karte (5025T) Saanenland / Simmental von oben rechts nach unten links diagonal durchwandert.


No Comment !

Geschafft ... ohne fremde Hilfe (wir haben auch keine Essensrationen vorher am Weg deponiert), möglichst abseits der Zivilisation habe wir unser Ziel erreicht - unvergesslich!

Photo Gallerie

Gurnigel - Leysin (05.06.05 - 10.06.05) / Marianne und Martin Zahn
( Achtung: Die untenstehenden Photos sind z. Teil 1 - 1.5MB gross ! )

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Wasserscheide
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Gantrisch
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Morgenstimmung
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Tschüss ...
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Morgetepass
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Bergfrühling
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Mittlig Morgete
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Bergfrühling
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Enzian
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Am Bergbach
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Widdersgrind
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Grenchengalm
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Widdersgrind
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Enziane
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Bergblumen
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Mähre
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Mähre
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Homad
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Richisalp
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Rast
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Richisalp
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Stierengrat
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1. Nachtlager
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Geissalp
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Grossriderhaus
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Geissalpt
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Kaiseregg
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Salzmatt
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Schwarzsee
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Spaghetti
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Schwarzsee
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Riggisalp
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Riggisalp
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Unt. Euschels
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Euschelspass
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Jaun Dorf
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2. Nachtlager
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Schattenhalb
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Siesta
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Gastlosen
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 Chalet du Sol
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Gross Turm
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Dent de Ruth
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Wolfsort
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Husegg
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Jaunpass
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Bergfloar
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Krokus
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Krokus
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Wandfluh
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Wandfluh
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Grubenberg
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Dent de Ruth
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Grischbachtal
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Col de la Forcla
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3. Nachtlager
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Frühstück
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Roch. de Rayes
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Rubli
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Rougemont
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Aufstieg Rubli
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Gummfluh
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Sur Combe
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Trttlisattel
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Col de Jable
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Col de Jable
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Gros Jable
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4. Nachtlager
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Wittenberghorn
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Les Arpilles
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Col de Saxieme
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Seron
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Seron
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Cape au Moine
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Col du Seron
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Diablerets
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Blumen
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Strauss
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Diablerets
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5. Nachtlager
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Höhenbergweg
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Col de Mosses
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La Comballaz
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Pierre de Moelle
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Leysin Umg.
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Am Ziel
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