«Rückzug an der Ebenefluh Nordwand»

... zur falschen Zeit am richtigen Ort

Martin Zahn / Bruno Schmid am 15.06 - 16.06.2006


Äbnifluh - Wir kommen wieder ...

Dies kennt wohl jedermann - man steht zur falschen Zeit am richtigen Ort. So war dies auch für uns am frühen Morgen des 16.06.2006 um 03:00 an der Ebenefluh (im Volksmund Äbnifluh genannt). Obwohl alle Anzeichen in den Tagen zuvor und auch am Vorabend 100% stimmten und alle Mit-Bergsteiger von einer lockeren Durchsteigung sprachen kam dann doch alles anders ...


Geplante Line mit Rückzug auf 3200 müM

... ein Wärmeeinbruch vermasselte und das Vorhaben tüchtig. Anstatt lockeren Schrittes in den bestehenden Spuren an den Einstieg beim Schrund zu gelangen mühten wir uns in hüfthohem Schnee ab, der «Fun Anteil» war wahrlich an einem kleinen Ort. Wer sich schon mal im Niedertreten von nassem Schnee versucht hat kennt dies - man hofft bei jedem Schritt das der Schnee hält und sinkt dann aber bis zu den Knien ein. Oft konnten wir das eingesunkene Bein kaum mehr aus dem nassen Schnee herausziehen - der Schweiss floss in Strömen - und dies auf 3000 müM.

Ebenfluh

Bei einer Wandhöhe von 750m weist sie eine Breitenausdehnung von fast einem Kilometer auf, ist durchweg 50 bis 55 Grad steil und bietet so dem technischen Geschick des Bergsteigers nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten. Dementsprechend ist diese Flanke bereits auf den verschiedenen Routen durchstiegen worden. Von Stechelberg im Lauterbrunnental erreicht man die Rottal-Hütte auf 2775m in etwa 5-6 Std. Der Einstieg befindet sich auf 3120m Höhe am Rottalgletscher, westlich der Gipfelfallline normalerweise in 1-2 Std von der Hütte.


Bruno mit Blick zur Ebenefluh

Ausgerüstet mit Kurzskiern, um die Abfahrt vom Ebenefluh Gipfel ins Lötschental zu erleichtern, starten wir am 15.06.2006, einem heissen Sommertag in Stechelberg in Richtung Rottalhütte.

In Stechelberg findet man den Weg zur Rottalhütte nicht ganz so einfach, da auf den Wegweisern überall nur die Schmadrihütte erwähnt wird. Nach etwa 500m auf diesem Weg zweigt dann ein steiler Weg nach links ab, der zur Hütte führt, ein Holzschild weist hier den Weg.

Wir nehmen uns für diesen langen Aufstieg Zeit - allein sind wir nicht. Unterwegs werden wir einzeln von zwei deutschen Bergsteigern überholt, die es sehr eilig haben - «Wollt ihr denn noch heute einsteigen?».


Martin im Aufstieg zur Rottalhütte - mit 15kg schwerem Rucksack.

Die guten Bedingungen an der Ebenefluh haben sich herumgesprochen - drei deutsche Bergsteiger, ein Profibergführer mit einem Gast und wir zwei sind unterwegs. Bereits von Stechelberg aus können wir eine Spur in der Wand erkennen - ein gutes Zeichen.


Blick auf das Breithorn und Tschingelhorn

Stechelberg ist der Ausgangspunkt für viele bekannte Nordwände wie beispielsweise am Grosshorn und Breithorn.

Keiner will als Erster starten ...

Nach und nach treffen alle bei der Rottalhütte ein und es wird Schnee geschmolzen was das Zeug hält. Die beiden Holzöfen laufen auf Volltouren damit die Pasta gekocht werden kann. Nicht schlecht staunen wir als zwei Mitbergsteiger zwei schöne Steaks hervorholen und diese auf dem Holzfeuer grillieren ... da läuft einem dann doch das Wasser im Mund zusammen.

Bei der Diskussion, wer an welcher Position morgen früh starten möchte, stellt sich heraus, dass es offenbar niemand mehr so eilig hat und man sich deshalb eigentlich lieber hinten einreihen möchte.

So bleibt Bruno und mir dann nichts anders übrig als dem zuzustimmen und die Führung am Morgen zu übernehmen.


Am Vorabend vor der Hütte

Imposanter Rundblick

Der Rundblick von der Rottalhütte ist wahrlich imposant - man befindet sich in einem hochalpinen Talkessel, eingebettet in einer wilden Landschaft unterhalb einem nicht ganz unbekannten Gipfel - dem der Jungfrau. Vom Gletscherhorn lösen sich am heutigen Abend mit Getöse  Eis- und Schneemassen und ergiessen sich in den Talkessel - Mensch, wie klein wir nur sind im Vergleich zu diesen Giganten - und dabei befinden wir uns hier «nur» im Berner Oberland und nicht in Nepal unterhalb des K2 ....

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Imposanter Rundblick von der Rottalhütte auf das Gletscherhorn

Schweisstropfen im Stirnlampenlicht

Ich bin vor dieser Tour sehr angespannt - weshalb dies so ist weiss ich eigentlich selbst auch nicht. Die Flanke der Ebenefluh macht auf mich einen überwältigenden Eindruck. Man kommt sich so klein vor im Angesicht dieser gigantischen Ausmasse an Eis, Fels und Schnee.


Gigantische Ausmasse an Eis, Fels und Schnee

Noch bei Tageshelle verteilen wir uns auf die Schlafstellen, der Herzschlag ist auch in der Ruheposition deutlich erhöht hier oben und es ist warm - viel zu warm. In der Nacht muss ich wie üblich mehrmals aufstehen, vor die Hütte treten und das kleine Häuschen mit dem Loch im Holzbrett aufsuchen. Ein warmer Wind weht mir ins Gesicht, die Sterne sind einzeln erkennbar. Mir gefällt die Sache überhaupt nicht - das kann nicht gut gehen, es ist viel zu warm!


Aufstieg zum Schrund in knietiefem, schwerem Schnee

Bruno und ich wechseln uns in der Spurarbeit ab, es ist keine einfache Sache. Die bestehende Spur ist kaum mehr zu erkennen und dementsprechend keine Hilfe mehr.

Am gestreckten Seil überwinden Bruno und ich eine grosse Spalte - und staunen dabei, dass unsere deutschen Freunde dies unangeseilt und jeder für sich tut - mich schaudert es beim Anblick!

Abbruch ...

Obwohl es Bruno und mir schon lange klar ist, dass es so keinen Sinn macht den Durchstieg zu wagen, zwängen wir uns zum Schrund hoch. Wir erkennen im Gipfelbereich Blankeis, dies zu erreichen wäre das Ziel. Doch unterhalb liegt schwerer Schnee in der steilen Flanke, dieser würde uns wohl auf einem Schneebrett in die ewigen Jagdgründe befördern - dazu sind wir aber nicht bereit und wir respektieren die Natur, die Berge und die Bedingungen und brechen ab.

Nach einem langen Marsch zurück nach Stechelberg, zurück in die Sommerhitze geniessen wir ein Bier, natürlich sind alle etwas enttäuscht, waren die Bedingungen doch so gut in den Tagen zuvor und vielleicht schon bald wieder in ein paar Tagen nach einer kalten Nacht - Ebenefluh wir kommen wieder - See You!

Oberdiessbach, 18.06.2006, Martin Zahn

Photo Gallerie

( Achtung: Die untenstehenden Photos sind z. Teil 1 - 1.5 MB gross ! )


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